Ich bin generell ein Freund davon, neue Hardware erst dann zu kaufen, wenn das Upgrade einzelner Komponenten bzgl. Gesamtperformance nicht mehr lohnt. So kam es, dass mein Win-98SE-Rechner plötzlich die komplette Win-XP-Ära überlebt hatte, als sich dieser nach einem Umzug plötzlich nicht mehr starten ließ. Zu diesem Zeitpunkt war die Kiste hardwaremäßig tatsächlich hoffnungslos veraltet und ich erfreute mich an dem riesigen Hardwarezuwachs in der 600-EUR-Budget-Klasse (schlussendlich wurde es ein HP Pavilion, der – nach inzwischen nun zweimaligen Tausch der "BIOS-Batterie" sowie einer RAM-Aufstockung von 1GB auf 3GB – weiterhin bis heute klaglos seinen Dienst verrichtet).
Der neue Rechner hatte dann das seinerzeit sehr frische Windows Vista
aufgespielt (mit eben noch allen Kinderkrankheiten), so dass trotz ernsthafter Versuche,
sich mit diesem Ding zu arrangieren, nur die verzweifelte Flucht nach
vorne blieb:
Zurück nach Windows 98SE oder der Lizenzkauf für das in Abkündigung befindliche XP kam aus
Prinzip nicht in Frage, Windows 7 war hingegen noch nicht
geboren, so dass automatisch Linux als potentielle (nahezu alleinige)
Alternative in den Vordergrund rückte.
Implementierungstechnisch war das von Anfang an bewusst auf "alternativlos" ausgelegt, d.h. wirklich darnieder mit
Vista (ein befreiendes Gefühl) und komplett Linux drüber. Ich
erweiterte die Festplattenpartitionen später trotzdem
auf Dual-Boot – mit zwei verschiedenen Linuxen (!): Dies deswegen, um
immer ein funktionierendes System zu haben, falls man sich das andere
gerade zerschossen hatte (was leider ab und an tatsächlich vorkam: zumeist wegen Anwenderfehler meinerseits; aber auch, weil ein Upgrade selten nicht sauber durchlief).
Fortan wechselten sich hauptsächlich OpenSUSE (rpm-Fraktion) und Debian stable (deb-Fraktion)
in diesem Dual-Boot als Hauptdistributionen ab, wenngleich zwischendrin durchaus Distro-Hopping angesagt war:
Mandriva / Mageia, (X)Ubuntu, Manjaro und rein aus Neugierde sogar Centos (das war mir für den Desktop dann aber doch deutlich zu abgehangen), um nur einige zu nennen.
Je mehr im Laufe der Zeit der eigene Freizeitanteil hieran für Linux-"Basteleien" knapper wurde, desto mehr gewann schließlich Debian stable die Oberhand und ist heute nahezu das alleinige Hauptsystem!
Auch die zu Anfangszeiten noch konsequent umgesetzte Idee, jeweils einen Vertreter der RPM- sowie DEB-Fraktion mit an Board zu haben, verlor mit nachlassender Software-Experimentierfreude und stetig steigender Paketanzahl in Debian seine Relevanz.
Zu der Zeit dieses Umstiegs betrieb ich gerade die Homepage für unseren Schachverein.
Unter Win-98SE hatte ich hierfür das WAMP-Paket benutzt (Windows,
Apache, MySQL, PHP). Ein Wechsel mit Blick auf diese Serverkomponenten
verursachte ohnehin Appetit auf LAMP (also Linux, Apache, MySQL und
PHP... der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass inzwischen das
weiterhin echt freie MariaDB anstelle MySQL Verwendung
findet).
Wider Erwarten gestaltete sich der Umstieg sogar als völlig problemlos:
Dies lag zum einem an der damals benutzen, sehr stabilen "SuSE Linux 9.0 Webserver
Edition", die irgendeinem PC-Heft beilag und sich eben als
hervorragendes LAMP-System pries sowie sich mit dem Yast-Tool als
komplett per Oberfläche bedienbar erwies. Zum anderen hatte ich zwar bereits
Erfahrung durch diverse Linux-Grundschulungen, die einem die Arbeit mit
dem Terminal vermittelten und so die Angst vor der Kommandozeile nahmen:
Das Terminal und das Kombinieren (Pipen) der einzelnen Befehle ist eine beeindruckende
Sache und sicherlich einer DER Stärken von Linux (auf Server- bzw. Script-Ebene). Mir selber war trotzdem eine grafische Oberfläche immer lieber,
da mir die Befehle nicht locker genug von der Hand gingen. Damit war
SUSE (später OpenSUSE) mit seinem Yast bzw. Yast2 wie für mich geschaffen!
Wahrscheinlich weil ich sehr lange am Win-98-Design festklebte, bin
ich bis heute ein Freund der klassischen Oberflächen, d.h. Gnome2 und
XFCE waren von Anfang an mein Favorit. Mit Einzug des Whisker Menu und insbesondere von Tiling-Funktionalität nach XFCE hat sich dieser Desktop meiner Meinung nach sogar zu einer vollwertigen
Alternative zu Windows 7 gemausert (was ich beruflich weiter nutzte und meiner Meinung nach das letzte Microsoft-Betriebssystem war, an dem sich andere Desktops ggf. messen lassen mussten).
Ich experimentierte auch sehr gern und zeitintensiv mit KDE, dessen immensen Einstellmöglichkeiten sowie
dessen Compiz-Effekten, die (wie insbesondere der 3D-Würfel) wirklich verblüffend waren! Mit der Zeit stellte sich das Ganze für mich dann aber als eher ablenkend heraus
(wobei z.B. der Konqueror als KDE-Paradebeispiel in der vereinten Funktionalität von Browser wie auch Dateimanager inkl. der gefühlten 1000 Einstellmöglichkeiten schon einen gewaltigen Eindruck hinterließ).
LXDE war hingegen dann doch zu spartanisch und das grafisch echt beeindruckende Enlightenment wiederum zu verspielt. Nachdem sich Gnome2 von selbst verabschiedet hatte, verblieb für mich damit XFCE als alleinig goldener Mittelweg,
auf dem ich mich irgendwann sehr wohl fühlte und damit auch kein weiteres Bedürfnis hatte, weitere Dekstops auszuprobieren.
Als Web-Programmierer benötigt man per se einen vernünftigen
Dateimanager, ggf. mit integriertem FTP-Support. Diesbezüglich ist die
Windows-Lösung Dateiexplorer relativ leicht zu übertrumpfen: Er kann
bis heute keine Tabs geschweige denn Zwei-Fenster-Ansicht und die
neueren Versionen taugen meiner Meinung nicht einmal mehr vernünftig als
übersichtliche (Baum-)Anzeige von Verzeichnisstrukturen.
Unter Gnome2 wurde in dieser Disziplin der dortige Dateimanager Nautilus mein Freund:
Hier war in einer späten Version die Zwei-Fenster-Ansicht per F3-Taste
schnell ein- oder ausblendbar — meiner Meinung nach genial gelöst!
Als unter Gnome3 eben dieses (wirklich so wunderschön optional gestaltete) Feature kurz danach wieder ausgebaut (!) wurde,
war für mich klar, dass ich nie das Zielpublikum von Gnome3 sein würde und
seither blieb, wie oben erwähnt, XFCE mein alleiniger Favorit — der dortige Dateimanager
Thunar kann zwar nur Tabs (und das auch erst in einer späteren Version), aber hier sorgte einer der vielen Zwei-Fenster-Dateimanager für gezielte Abhilfe, ganz aktuell der Double Commander.
Auch den Gnome2-Fork MATE schaute ich mir immer wieder gerne mal an und sehe ihn gleichwertig zu
XFCE: der geschätzte Nautilus lebt dort als Caja-Fork weiter sowie der
Gedit-Editor als Pluma, was rein aus PHP-Hobby-Programmiersicht bereits völlig
ausreichend sein kann.
Ansonsten sind mit dem ausgereiften Web-Editor Bluefish und mit Geany als kleinere IDE stets
distributionsneutrale PHP-Lösungen (und mehr) vorhanden. Geany startet dabei sogar deutlich schneller
als die reinen Text-Editoren Gedit / Pluma und hat sich daher zu meinem Favorit gemausert,
vor allem wenn nur noch in bereits existierenden Dateien kleinerere Änderungen durchzuführen sind.
Zu KDE-Zeiten hatte ich auch den dortigen Kate-Editor zugegebenermaßen sehr geschätzt; allein an wenige, wirkliche spezielle Funktionen aus Bluefish kam er nicht ran.
Die dortige kleinere Lösung Kwrite für nur 1-Datei-Bearbeitung probierte ich immer wieder gern aus, aber ergab für mich eigentlich keinen Mehrwert
(zumal die Ladezeiten eigentlich gefühlt gleich lang waren).
Abseits der Web-Entwicklung habe ich auch im Alltag mit Linux wenig Probleme, was aber wesentlich an meinen "unterdurchschnittlichen Systemanforderungen" liegen dürfte:
Grafisch anspruchsvolle 3D-Spiele und dergleichen finden sich unter meinen installierten Paketen vergebens; mit WLAN-Treibern musste ich mich nie rumärgern, weil mein Rechner klassisch an einer LAN-Buchse hängt.
In Verbindung mit meiner generell gut abgehangenen Hardware sind damit die hauptsächlichen Problemstellen im Linux-Hardware-Umfeld nahezu umgangen.
Auf Softwareebene finden sich mit LibreOffice, Gnumeric, GIMP, gThumb, LiVES und Firefox ESR stabil laufende Produkte, die meine Alltagsaufgaben mit Bravour erledigen.
Diese Produkte haben für meine Anforderungen schon längst einen Reifegrad und Versionsstand erreicht,
welche sich bereits seit Debian 9 in stable paketiert wiederfinden und damit Debian langsam aber sicher zum Hauptsystem wurde.
Letztendlich hat bei mir sogar der Debian-Schwenk von Iceweasle auf Firefox ESR entschieden dazu beigetragen, fortan Debian neben dem rein stabilen Faktor eben auch als voll alltagstaugliche Desktop-Umgebung zu begreifen!
In Summe hat mir meine ehrenamtliche Arbeit bzgl. der
Vereinshomepage auch im späteren Berufsleben viel gebracht. Mein eigenes Coding
war rückblickend betrachtet "nicht optimal" im Sinne von: nicht
wartungsfreundlich! Die hier zwangsläufig gewonnene Erfahrung, dieses selber warten und
optimieren zu müssen, hat meinem Arbeitgeber für mein späteres dortiges Coding
viel Zeit und damit Geld gespart ;-)
Generell macht mir die Arbeit als Web-Programmierer unter Linux dabei viel mehr
Spaß als unter Windows. Allein wegen der größeren Auswahlmöglichkeit an
Programmen und eben weil diese FOSS sind.
So hatte ich bei meinem Schachprogramm Scid vs. PC, das ich für die Extraktion der Partien nach
HTML/Javascript benutzte, irgendwann die Möglichkeit erkannt, dass ich
eben dies selbst anpassen kann — was ja unter FOSS genau möglich ist.
Trotzdem war erst dieses Anpassungsbedürfnis der entscheidende "Klick im Kopf", wo ich zum einen dies
zum ersten Mal bewusst in der Praxis genutzt hatte, zum anderen dies dadurch eben "mehr" wurde als eben nur ein theoretischer Vorteil von FOSS gegenüber kommerzieller Software!
Nach der Anpassung der entsprechenden Programmstelle (und Neukompilierung des Programms) exportierte dieses Programm dann die generierten HTML-Dateien auf Knopfdruck genau so, wie ich sie haben wollte!
Ein echt gutes Gefühl, das ich so nur dank Linux & dessen FOSS-Programmen erleben durfte ;-)
Verfasser: Frank Wohlfahrt [ 📨 ]