TG-Bericht 03/2006 home


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Verfasser: Dirk Schindler

Wer wurde Stadtmeister?

Wie lautet der Sieger der Biberacher Schachstadtmeisterschaft 2006? Diese Frage ist mit ziemlicher Sicherheit nicht für ein (Biberacher) Quizspiel geeignet, nachdem die Frage mittlerweile mit austauschbaren Jahreszahlen rein rhetorischen Charakter hat und die überschrift wie in den letzten Jahren auch wieder "Im Westen nichts Neues lauten" könnte. Selbstverständlich hat sich Rekordsieger Holger Namyslo wieder durchgesetzt und - im Gegensatz zu manchem Radsportdauersieger übrigens ganz sicher ohne verbotene Zusatzmittel - seinen sechsten Titel in Folge eingefahren.
Vor Beginn der Meisterschaft gab es hingegen wieder viel Hoffnung, Namyslo zu stoppen. War doch Oliver Weiß am Spitzenbrett der Biberacher Verbandsligamannschaft seit vielen Runden ohne Niederlage geblieben, hatte doch der Langenauer Ex-Oberligist Thomas Herz bei der Oberschwäbischen Meisterschaft 2005 die Nase vorn und Holger Namyslo in der letzten Runde den Titel förmlich aus den Händen entrissen und stand mit Rainer Wohlfahrt auch wieder der ewige Dauerrivale bereit. Außerdem mußte man auch den Ravensburger Spitzenspieler Vadim Reimche und den Biberacher Tobias Merk auf der Rechnung haben. Am Ende war doch (fast) alles wieder beim Alten, aber dazu gleich mehr im chronologischen Rückblick. Spannender und unkalkulierbarer war die Frage, wer das Turnier im Turnier, nämlich den Ratingpokal für den besten Spieler der unteren Setzhälfte (UH-Pokal) gewinnen wird. Könnte Torsten Hansen seinen Titel verteidigen oder zieht der letztes Mal knapp geschlagene Herbert Körner an ihm vorbei? Schafft es mit Andreas Ege einer der Favoriten oder gibt es einen überraschungssieger? Und wer sollte den Senioren- bzw. den Jugendpreis einheimsen?



3. Runde: Erstes Favoritensterben

Die ersten beiden Runden verliefen weitgehend unspektakulär, die großen überraschungen blieben zur überraschung aller nahezu aus. Nur Tobias Merk mußte in einer denkwürdigen und wechselhaften Auftaktpartie ein Remis gegen Robert Vetter hinnehmen, und einzig der halbe Punkt von Oldie Peter Sikezdi in Runde 2 gegen Frank Zessin kam wirklich einer kleinen Sensation nahe. In Runde 3 kam es dafür gleich zum doppelten Gipfelduell und so zwangsläufig zum Favoritensterben: Holger Namyslo mußte gegen Dauerrivale Rainer Wohlfahrt ran und wurde glatt an die Wand gespielt. Der Herausforderer verlor allerdings kurz vor Schluß völlig überraschend den Faden und verhalf dem Seriensieger zu einem "sehr schmeichelhaften und unverdienten" (Zitat Namyslo) Sieg. Oliver Weiß hingegen fuhr in einer spannenden, taktisch und positionell hochwertigen Partie einen letztlich sicheren und hochverdienten Punkt gegen Thomas Herz ein. Anschluß ans Spitzenduo hielten hingegen Vadim Reimche, der ebenfalls zu einem schmeichelhaften Sieg gegen ebenfalls einen Wohlfahrt (Frank) kam, sowie ein souveräner Tobias Merk.



5. Runde: Duell der Giganten

Während in Runde 4 Namyslo seine Siegesserie gegen Reimche beeindruckend verteidigte, einigte sich Weiß mit Merk nach einer spektakulären, aber nervenaufreibenden Eröffnungsschlacht bald auf Remis. Rainer Wohlfahrt nutzte dies, um mit einem Sieg den Abstand zur Spitze zu verkürzen, während Herz völlig überraschend, aber nicht unverdient, einen halben Punkt an Jürgen Dollinger abgeben mußte. Während der UH-Preis noch immer heiß umkämpft war, erzielte Favorit Daniel Zuger im direkten Duell mit Edgar Boda-Majer einen ersten Vorteil beim Jugendpreis. Die Senioren Bertram Laub und Adolf Flor übernahmen hingegen mit Siegen im Gleichschritt die Führung beim Seniorenpreis, nachdem Altmeister Peter Sikezdi bedauerlicherweise und für die Schachabteilung überraschend verstorben war. In der fünften Runde sollte es aber nun zum letztlich vorentscheidenden Duell der Giganten kommen:
Oliver Weiß opferte einen Bauern für aktiveres Spiel, setzte Holger Namyslo damit gewaltig unter Druck, verbraucht jedoch zuviel Zeit. Schließlich akzeptierte er vorsorglich ein Remisangebot. Tobias Merk trotzte zeitgleich Rainer Wohlfahrt einen weiteren halben Punkt ab und Vadim Reimche, sowie Thomas Herz und nun auch Frank Wohlfahrt gehörten nach Siegen ebenfalls zur erweiterten Verfolgergruppe. Beim UH-Preis gelang es mit Andreas Ege dafür erstmals einem Favoriten, sich leicht abzusetzen.



Runde 7: Letzte Chance vertan?

Nachdem sich Namyslo in Runde 6 gegen Thomas Herz im Endspiel noch überraschend die Butter vom Brot nehmen ließ und mit einem Remis mehr als zufrieden sein mußte, Weiß aber nach klaren Vorteilen Reimche im Endspiel ebenfalls ins Remis entwischen ließ und so eine große Chance vergab, lastete die letzte Hoffnung auf Tobias Merk. Mit starken Leistungen auf Tuchfühlung zum Spitzenplatz, machte er Holger Namyslo das Leben sehr schwer, vergab in schwieriger Stellung allerdings ziemlich übermüdet ein mögliches Remis. Die Verfolger konnten daher trotz klaren Siegen keinen Boden auf den Führenden gutmachen. Beim Ratingpreis mußte Ege krankheitshalber passen, blieb aber an der Spitze der Spieler aus der unteren Hälfte der Setzliste, da Verfolger Herbert Waltner gegen Jürgen Dollinger klar verlor. Beim "Turnier im Turnier" schloß allerdings "Titelverteidiger" Torsten Hansen mit einem Sieg gegen Manfred Dorer zu ihm auf. Eine weitere Vorentscheidung gelang dafür Youngster Daniel Zuger beim überraschenden Remis gegen Abteilungsleiter Richard Winter, während sich seine Verfolger Heim und Boda-Majer unentschieden voneinander trennten.



Runde 9: Spannung auf den weiteren Plätzen und beim UH-Preis

In den letzten beiden Runden des Turniers verlagerte sich die Spannung mehr auf die weiteren Plätze und Geldpreise, sowie das Ergebnis des Ratingpreises. In der Vorschlußrunde kam Oliver Weiß nicht über ein Remis gegen Rainer Wohlfahrt hinaus, hatte damit aber den zweiten Platz quasi sicher. Holger Namyslo ließ beim erneuten Titelgewinn ohnehin nichts mehr anbrennen, auch wenn ihm Frank Wohlfahrt in der Schlußrunde noch ein starkes Remis abtrotzte. Tobias Merk kämpfte dafür im direkten Duell mit Thomas Herz und im Fernduell mit Rainer Wohlfahrt um Platz 3. Merk übersah dabei glatt den Gewinn, und Kämpferherz Herz holte mit erneut starkem Endspiel erneut einen halben Punkt. Wohlfahrt gewann hingegen deutlich gegen Hansen, der dadurch in der Wertung um den UH-Preis entscheidend zurückfiel. Das gleiche Schicksal erlitt Leader Herbert Waltner (Steinhausen), der dem Ehinger Manfred Dorer zum Opfer fiel. Dies nutzte Reinhard Zielke, der sich zuvor mit soliden Leistungen ins Mittelfeld gespielt hatte, durch einen Sieg gegen den wieder genesenen Andreas Ege. Beim Senioren- und beim Jugendpreis gab es hingegen keine Führungswechsel mehr.



Fazit: Im Biberacher Schach (fast) alles beim Alten

Der Einlauf der ersten Drei entsprach dieses Mal dem Ergebnis des Vorjahres: Holger Namyslo blieb bei sehr starken 7,5 Punkten aus 9 Runden ungeschlagen, jedoch stand sein Sieg dieses Jahr in mancher Situation auf tönernen Füßen. So verzeichnete Oliver Weiß bei 7 aus 9 ebenfalls keine Niederlage und meldete damit klare Ansprüche für die Zukunft an. Rainer Wohlfahrt komplettierte das Spitzentrio mit 6,5/9 und besserem Buchholz vor dem Langenauer Thomas Herz. Tobias Merk hatte es extrem spannend gemacht, sicherte sich aber auf Platz 5 den letzten Geldpreis, da er bei jeweils 6/9 und 51 Buchholzpunkten in der zweiten Feinwertung (ein Sonneborn-Berger-Punkt, für Eingeweihte ein Hauch von Nichts) denkbar knapp, aber (aus Sicht des neutralen, nicht primär Biberacher Berichterstatters) verdient die Nase vor dem Ravensburger Lokalrivalen Vadim Reimche vorn hatte.
Der Einlauf beim Pokal für den besten Spieler der unteren Setzhälfte war hingegen eine faustdicke überraschung: Reinhard Zielke, mit 5/9 zudem 12. des Gesamtturniers, hatte wohl keiner auf der Rechnung gehabt; er imponierte aber mit einer tollen zweiten Saisonhälfte. Waltner und Titelverteidiger Hansen blieben zusammen mit dem Punktgleichen Dieter Rybka (je 4,5/9) daher nur die Plätze. Bertram Laub gewann dafür letztlich erwartet, aber doch sehr knapp vor Adolf Flor (beide 4/9) den Seniorenpreis und Daniel Zuger behielt den Jugendpreis trotz einer Abschlußniederlage gegen Reimche. Armand Heim konnte zwar gleichziehen (4,5/9), aber hatte die schlechtere Buchholzwertung, Edgar Boda-Majer verpaßte nach einer zwischenzeitlichen, starken Gewinnserie den Titel mit einer Niederlage gegen den Kapitän der dritten Mannschaft, Rybka.



Ausblick auf einen erneuten Anlauf: Teilnehmer und Herausforderer gesucht

Am 13. Oktober startet die nächste Stadtmeisterschaft und angesichts des spannenden und engen Verlaufs der letzten Auflage wird im nächsten Turnierrückblick vielleicht (endlich?) ein neuer Sieger ausgerufen. Anwärter gibt es genug und die Schachabteilung hofft zudem auf neue und weitere (auswärtige) Verstärkungen und Teilnehmer. Allerdings wankte der Riese Namyslo schon öfter, fiel aber nicht, um zudem im Folgejahr das Turnier richtig zu dominieren. Die Stadtmeisterschaft eignet sich aber auch für Hobby- und Gelegenheitsspieler und wie das spannende Ringen um den UH-Preis zeigt, ist immer auch eine überraschung und vielleicht sogar ein Geldpreis möglich. Ansonsten kann auch einfach die eigene Spielstärke in angenehmer Atmosphäre getestet werden. Das Turnier findet an neun Freitagen zwischen dem 13. Oktober 2006 und dem 30. März 2007 statt, Spielbeginn ist stets um 19.30 Uhr im Stadtteilhaus Weißes Bild. Weitere Informationen sind bei Turnierleiter Frank Wohlfahrt (frawoh@gmx.net), Abteilungsleiter Richard Winter (07351/72632) oder im Internet auf http://biberach-riss.schachvereine.de erhältlich.